JGA – Infektionskrankheit oder Partydroge?
Oooooommmm spricht Frau O. liebevoll...
...und begrüßt Euch heute zurück aus dem entspanntesten Wochenende, seit die Zwillinge auf der Welt sind.
Erstaunlich, wie man innerhalb weniger Stunden 'runterkommen kann, wenn man weiß, dass man sich vollständig aus der Sicht-, Hör- und Reichweite sämtlicher Probleme, Anliegen und Bedürfnisse anderer befindet. Und wenn man dann noch in einem massiven Funkloch namens Harz hängt, ist die Welt gleich noch ein bisschen mehr in Ordnung.
Da geht es Zwillingsmüttern nicht anders als Bräuten im Hochzeits-Vorbereitungsstress! Und an dieser Stelle rate ich allen Trauzeuginnen/Bridesmaids dazu, fein hübsch Ihre Ohren zu spitzen.
Im Jahresreigen der Heiratssaison ist spätestens jetzt der Zeitpunkt gekommen, an dem es Sinn macht, über ein Ritual namens „Junggesellinnenabschied“, unter Profis auch als JGA bekannt, nachzudenken.
Muss man sowas wirklich machen? Den Abschied vom Junggesell(inn)en-Sein feiern, indem man Mottoshirts, Bollerwagen und Stripper auf eine derart unwürdige Weise kombiniert, dass die Fremdschamressourcen unbeteiligter Dritter für wenigstens sieben Jahre vollkommen erschöpft sind?
Ich habe lange genug in der Gastronomie gearbeitet, um sagen zu können, dass derartige Veranstaltungen immer umweht werden von einer starken Brise hysterischer Verzweiflung (und gegen Ende auch Kotze).
Der Witz, der darin liegen soll, dass ein Haufen schwer besoffener Frauen in albernen Kostümchen genervten Passanten Küsse und Kondome vertickt, erschließt sich wahrscheinlich nur Mario-Barth-Fans und Tommy-Jaud-Rezipienten.
Glaubt mir, es ist extrem peinlich, wenn der Typ an der Bar sagt: Alte, verpiss Dich – Du glaubst doch nicht dass ich sowas wie dich küsse!
Wer seine Eheschließung (nur im Spaß, jaja) als Ende einer Ära von „Freiheit“ und „Abenteuer“ versteht, der soll sich weiterhin in Hamburg, Prag oder meinetwegen am Hasselbachplatz in Magdeburg zum Affen machen. Wobei: Da gibt’s mittlerweile JGA-Verbotszonen, soweit ich weiß.
Also nicht feiern? Ich bitte Euch! So gut solltet Ihr mich kennen. Bin ja kein Spielverderber. Außerdem ist mir seit jeher kein Vorwand zu billig für eine anständige Party.
Aber bitte, bitte mit Stil! Und vor allem so, dass es für Eure Braut passt. Was für ein Spaß ist es denn, wenn eine, die überhaupt kein Mittelpunktsmensch ist und im Erdboden versinkt, wenn mehr als drei Menschen gleichzeitig sie anschauen, mit Schärpe, Schleier und Bauchladen über'n Boulevard schaulaufen soll? Wieviel Spaß macht denn einer Braut, die keine Minute stillsitzen kann, ein Meditationskurs bei Kerzenschein?
Meine worst JGA-Situation ever war der Moment, als mich im Dollhouse auf der Reeperbahn ein Stripper dazu nötigen wollte, Geldscheine anzulecken, um sie dann auf seinen nackten Hintern zu kleben. Ich bin ja keine von diesen Sagrotan-Muttis, aber noch bei der Erinnerung daran bekomme ich einen Ganzkörperherpes vor Ekel. Vor den Geldscheinen!! Der Hintern war super.
Die Braut fand's nicht so witzig und fing an zu heulen vor Stress. Dieses Fiasko war übrigens dem Umstand geschuldet, dass sich jemand in den ursprünglichen Plan eingemischt und der Braut wie der Gruppe ihre eigenen Vorstellungen ungefragt übergeholfen hatte.
Was mittlerweile unter „perfekten“ JGAs verstanden wird, reicht zuweilen dicht an den sonstigen Hochzeitswahn heran.
Instagramtauglich muss es sein, einzigartig, unvergesslich. Was das nicht nur organisatorisch, sondern auch finanziell bedeutet, können die Agenturen berichten, deren gesamtes Geschäftsmodell darauf fußt. Ganz wesentlich haben wir dies wieder einmal dem Input aus den entsprechenden Filmen zu verdanken.
Achtung, eine Durchsage: "Der Film" ist ungefähr genau das Gegenteil von "der Realität". Sonst heißt er nämlich "die Dokumentation".
Die besten Situationen kann man nicht planen, nicht erzwingen. Sie passieren einfach.
Beim JGA meiner besten Freundin war mein Zeitplan nicht ganz so ausgefeilt, wie ich dachte – und der Weg zum Musical weit. Es war übrigens, vollkommen klischeefrei selbstverständlich, „Dirty Dancing“. Weil das UNSER Film ist, den wir ungefähr sieben Millionen Mal gesehen haben und mittlerweile perfekt szenisch mitsprechen und -spielen können. Bis auf die Hebefigur. An der arbeiten wir noch.
Wir wussten, dass die uns nicht später in den Saal lassen und mussten echt Stoff geben – zu Fuß. Die letzten zwei Kilometer rannten fünf bis sieben kopflose Hühner, die Pumps mittlerweile in der Hand, barfuß und panisch, zwischenzeitlich von Lachkrämpfen geschüttelt, zum Theater.
Was soll ich sagen – wir haben's geschafft. Als wir endlich keuchend, schwitzend, mit dreckigen Füßen und zerrissenen Strumpfhosen in unseren Sitzen hingen, hätte ich fast gekotzt. Ich denke immer wieder gern daran zurück.
Wenn Ihr einen JGA plant, denkt daran, worum es eigentlich geht: Um Eure Freundschaft.
Die Zeiten, in denen Eheschließung für Frauen zwangsweise bedeutete, dass das letzte bisschen Spaß in ihrem Leben vollständig verschwindet, sind zum Glück lange vorbei (außer, sie hat sich den Falschen ausgesucht, selbstverständlich).
Und die Zeiten, in denen Ihr Euch nicht mehr sehen dürft, nicht mehr tanzen, lachen und feiern, auch (außer sie hat einen kontrollsüchtigen Psychopathen erwischt).
Eure Braut braucht Euch bei einem großen Schritt an ihrer Seite – weil eine Trauung aus vielen schönen Gründen beängstigend sein kann. Also schwelgt in Erinnerungen, redet, unterstützt, nehmt Ängste, seid Freundinnen. So, wie Ihr es immer getan habt. Und wenn dazu gehörte, dass Ihr rotzeblau um die Häuser gezogen seid und Männer belästigt habt: Dann immer los!
Als ich heute Morgen in der watteweichen Spawelt über die Hochzeit vom Herzkasper und mir und alles, was so drumherum passiert, nachdachte, schien mir der Gedanke an einen Spa-Tag kein schlechter zu sein. (LIEST DU DAS, TRAUZEUGIN?!)
Für alle, die es betrifft, hier die ultimative drei-Punkte-Checkliste für den perfekten JGA:
Überall ein Haken dran? Na dann: Viel Spaß!
PS: An alle Trauzeugen – für Euch und Eure Bräutigame gilt dasselbe. Aber Euch interessiert das sowieso nicht, weil Ihr alle nur Hangover im Kopf habt und jetzt überlegt, wo Ihr einen Affen/einen Tiger/eine Giraffe herbekommt.